Was ich tun kann

WAS ICH TUN KANN

IM NOTFALL

 

 

Ein möglicher Vorfall – was nun?

Sie haben mit einem möglichen Fall von digitaler sexueller Gewalt zu tun oder vermuten einen Fall?

    1. Bewahren Sie Ruhe!

    Verschaffen Sie sich einen Überblick:

    • Um welche Form(en) von digitaler sexueller Gewalt geht es (Sharegewaltigung, Sextortion, Cybergrooming)?
    • Wer ist nach Ihrem aktuellen Kenntnisstand beteiligt?

    2. Hören Sie zu! Bewerten Sie nicht!

    • Nehmen Sie das Berichtete ernst.
    • Vermeiden Sie bohrende Fragen und Schuldzuweisungen.
    • keine Vorwürfe: Sexting gehört zum sexuellen Ausprobieren von Jugendlichen.
    • Verurteilen Sie die Jugendlichen nicht.
    • Akzeptieren Sie mögliche gemischte Gefühle der Betroffenen.
    • Informieren Sie die Betroffenen über die weiteren Schritte und vereinbaren Sie ein Folgegespräch.

    3. Dokumentieren Sie das Gehörte und Gesehene

    • Dokumentieren Sie die genauen Äußerungen der Betroffenen und Beschuldigten.
    • Notieren Sie Ihre eigenen Gefühle und Gedanken getrennt davon. 

    4. Sorgen Sie für die Sicherheit der Betroffenen. 

    • Akut: Sorgen Sie für eine Trennung von Opfer und Täter. 
    • Informieren Sie die Bezugspersonen.

    Weitere Handlungsschritte  

    Informieren Sie die Leitung bzw. die zuständige Fachkraft über Ihre Beobachtungen und Vermutungen. Besprechen Sie das Vorgehen und die Verantwortlichkeiten für den Prozess und protokollieren Sie die Vereinbarungen. Das sind wichtige Fragen, die geklärt werden sollten:

    • Wer hält den Kontakt zu den Betroffenen?
    • Wer spricht die Erziehungsberechtigten /Angehörigen an?
    • Wie werden die betroffenen Jugendlichen dabei einbezogen?
    • Wer spricht mit den Beschuldigten?
    • Wer spricht mit den Eltern der Beschuldigten?
    • Wer spricht mit Jugendlichen, die verbreitete Aufnahmen auf ihren Smartphones haben, und fordert zum sofortigen Löschen der Aufnahmen auf?
    • Wer unterstützt die Betroffenen bei der Löschung der Aufnahmen aus sozialen Netzwerken (Aufklärung über Meldefunktionen bei den Betreibern)?
    • Welche Konsequenzen gibt es für die Verbreiter*innen?
    • Welche externe Beratung wird dazu geholt?

    Besprechen Sie die Beweissicherung. Jede Person, die Kenntnis von einer Straftat hat, darf diese zur Anzeige bringen. Sie dürfen keine Nacktbilder von Kindern oder Jugendlichen auf Ihrem Smartphone/ Computer oder als Ausdruck sichern, weil Sie sich damit strafbar machen.

    Wenn Sie als Fachkraft oder Institution eine Strafanzeige stellen möchten, dann müssen Sie dabei vielleicht bestimmte Dienstanweisungen beachten.

    Empfehlen Sie die Sicherung der Aufnahmen bei den Betroffenen (Erstellung von Screenshots und Ausdrucken von Chatverläufen, Webseiten). Das Material ist wichtig, wenn die Betroffenen eine Strafanzeige stellen möchten.

    5. Holen Sie sich Hilfe!

    • Sprechen Sie über das Gehörte, Gesehene oder Vermutete mit ihrer Leitung oder der Ansprechperson für das Thema Schutz. 
    • Wenn Sie jemanden brauchen, der Sie in der akuten Verdachtssituation unterstützt und berät, melden Sie sich bei einer externen Beratungsstelle.
    • Das „Hilfetelefon Missbrauch“ berät und informiert kostenlos unter 0800 22 55 530. Auch das www.hilfe-portal-missbrauch.de informiert über Anlaufstellen bundesweit. Beides finden Sie auch über das #UNDDU-Portal. Klicken Sie rechts auf "Ich brauche Hilfe" oder in der Menüleiste auf "Hilfe".
    • Die „Erste-Hilfe-Beratung“ von Innocence In Danger berät und informiert kostenlos unter 030 33007549 (montags und mittwochs von 9 bis 13 Uhr) oder unter beratung@innocenceindanger.de

    ZUR AUFARBEITUNG

    Individuelle und institutionelle Aufarbeitung

    Grundsätzlich muss zwischen der individuellen und institutionellen Aufarbeitung von sexueller Gewalt unterschieden werden. Die individuelle Aufarbeitung beschreibt den Prozess der Betroffenen.

    Zur institutionellen Aufarbeitung gehört es, die Strategien von Täter*innen zu erkennen und zu reflektieren, welche institutionellen, strukturellen und individuellen Faktoren ihr Verhalten erleichtert haben.

    Sie beinhaltet die Verantwortungsübernahme für strukturelle Faktoren und den Umgang mit Täter*innen. Ohne externe Begleitung und Steuerung kann institutionelle Aufarbeitung nicht gelingen.

    Ziele eines Aufarbeitungsprozesses 

    • Trauma-Verarbeitung
    • missbrauchsbegünstigende Faktoren in der Einrichtung erkennen und beseitigen und beseitigen 
    • institutionelle Ressourcen kennen und nutzen
    • Risikoanalyse und Entwicklung eines Schutzkonzeptes

    Ein Schutzkonzept wird mit allen gemeinsam entwickelt und soll die Jugendlichen stärken und den respektvollen Umgang der Jugendlichen fördern. Es beinhaltet ein gemeinsames Verständnis von Gewalt und einen Notfallplan.

    ZUR VORBEUGUNG

    Wo können wir was tun?

    Schulen, Sportvereine,  Einrichtungen der Jugendhilfe und viele ehrenamtliche Angebote können Bedingungen schaffen, die das Risiko senken, zum Tatort von sexueller Gewalt zu werden.

    Jugendliche müssen Hilfe durch kompetente Ansprechpersonen finden, wenn ihnen sexuelle Gewalt angetan wird.

    Schutzkonzepte helfen dabei, Prävention als alltägliche Haltung erlebbar zu machen.

    Ihre Entwicklung beginnt mit einer Risiko- und Ressourcenanalyse für die jeweilige Einrichtung oder Zielgruppe.

    Zur Prävention gehören die Stärkung der Rechte von Jugendlichen, die Vermittlung von Wissen über Täter*innen-Strategien und die Handlungskompetenz bei Fällen von Sharegewaltigung (zum Beispiel die ungewollte digitale Verbreitung von Nacktbildern) und anderen Formen sexualisierter Cybergewalt. 

    Grundsätzlich wird unterschieden zwischen primärer (erstrangiger), sekundärer (zweitrangiger) und tertiärer (drittrangiger) Prävention. 

    Primäre Prävention

    Ziel der primären Prävention ist das Verhindern von sexualisierter Gewalt. Konkrete Maßnahmen sind zum Beispiel Schutzkonzepte, die Sensibilisierung von Eltern und Fachkräften, Schulungen und konkrete Projekte der sexuellen Bildung und Medienpädagogik. 

    Sekundäre Prävention

    Sekundäre Prävention bezeichnet alle Aktivitäten, um die Gewalt zu beenden und langfristig zur Aufarbeitung der Gewalterfahrung beizutragen. Der Kreislauf der Gewalt und das erhöhte Risiko für traumatische Folgestörungen werden unterbrochen.

    Konkrete Maßnahmen sind zum Beispiel Ansprechpersonen und Interventionsbeauftragte festlegen, Handlungsleitfäden erstellen sowie klare Absprachen über arbeits-, disziplinar- und strafrechtliche Schritte

    Tertiäre Prävention

    Tertiäre Prävention richtet sich auf die Folgeschäden sexueller Gewalt. Dazu gehören Maßnahmen für die therapeutische, aber auch die institutionelle Aufarbeitung sexueller Gewalt, für die Täter*innen Therapie und die Rehabilitation.