Digitale Sexuelle Gewalt im Fokus

Digitale sexuelle Gewalt

IM FOKUS

Gebärdensprache IM FOKUS

Hier finden Sie die Inhalte dieser Seite in Gebärdensprache.

Die Kapitel im Video passen zu den Abschnitten im Text.

In der Arbeit zu sexualisierter Gewalt werden 3 Kategorien unterschieden: 

  • die unabsichtliche Grenzverletzung, 
  • der sexualisierte Übergriff und 
  • die strafbare sexualisierte Gewalt.

Eine enge Umarmung kann von der einen Seite nett gemeint sein, von der anderen aber als unangenehm und grenzüberschreitend empfunden werden.

Wenn die umarmende Person einfühlsam merkt, dass die umarmte Person sich unwohl fühlt, kann sie sich korrigieren. Sie kann die Umarmung lösen und sich entschuldigen, wenn sie der anderen Person zu nahegekommen ist. 

Bei einem sexualisierten Übergriff passiert erst mal das Gleiche: Eine Person kommt einer anderen zu nahe. Allerdings mit Absicht. Täter*innen tun dabei so, als geschehe dies unabsichtlich. Die daraus entstehende Verunsicherung ist für die sexuell übergriffige Person reizvoll. 

 

Die Dynamik sexualisierter Gewalt im digitalen Raum

Beispiel: Ein 17-jähriges Mädchen hat sich gerade von ihrem Freund verabschiedet. Sie denkt noch verliebt an ihn. Spontan sendet sie ihm ein Selfie mit entblößter Brust und Kussmund. Er findet das unangenehm. Das muss er aktiv kommunizieren, sonst merkt sie es nicht.

Ihr zum Beispiel in einer Sprachnachricht sagen: „Schatz, Nacktbilder mag ich nicht.“ Sie entschuldigt sich sofort per Text-Nachricht: „OMG sorry!!!!!! *peinlich* Bis morgen.“ 

Hier hat eine unabsichtliche Grenzverletzung stattgefunden. 
 

Absichtliche Grenzverletzung

Anders ist es, wenn das Mädchen das Bild schickt, obwohl sie weiß, ihr Freund fühlt sich durch intime Bilder unter Druck gesetzt. Sie genießt das Gefühl der Macht und sendet das Bild trotzdem. Hier findet ein sexueller Übergriff statt.

 

Digitale Verbreitung

Variante 3: Das Mädchen schickt ihrem Freund verliebt das intime Bild. Der ist angeekelt, sagt ihr aber nichts, sondern sendet das Bild sofort weiter an seinen Freund: „Guck mal. Wie ekelig.“ Das intime Foto landet ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung bei einer dritten Person.

Jetzt kann es innerhalb kürzester Zeit in ihrem gesamten Umfeld verbreitet werden. Dieses Weiterleiten bedeutet massive Gewalt gegen das betroffene Mädchen, auch wenn der Junge sich ebenfalls bedrängt gefühlt hat. In diesem Fall haben beide die Grenzen der/des anderen überschritten. Die Konsequenzen für das Mädchen sind wahrscheinlich langanhaltender.

 

Grooming

Eine letzte Variante ist diese: Der Junge fordert vom Mädchen beim Abschied ein Nacktbild als Beweis ihrer Zuneigung. Er droht mit Liebesentzug, falls sie ihm nicht innerhalb der nächsten 30 Minuten ein Bild schickt. Das Mädchen fühlt sich unwohl, will den Jungen nicht verlieren. Sie sendet das Bild. In diesem Fall geschieht der Übergriff bereits mit der Forderung. Der Junge fühlt sich stark und wohl in der dominanten, fordernden Rolle und übt sexualisierte Gewalt aus.

 
(aus: „Empirische Untersuchung zur Versorgung von Mädchen und Jungen, deren Missbrauchsabbildungen (Kinderpornografie) bzw. Sextingabbildungen digital verbreitet werden und notwendige Lehren für eine gute Prävention an Schulen (2010-2015“), S. 15ff)